Commissariat
Roland Mönig, Saarlandmuseum
Kathrin Elvers-Svamberk, Saarlandmuseum
Alexandra Müller, Centre Pompidou-Metz
Datum
Commissariat
Roland Mönig, Saarlandmuseum
Kathrin Elvers-Svamberk, Saarlandmuseum
Alexandra Müller, Centre Pompidou-Metz
Co-Production
Exposition organisée par le Centre Pompidou-Metz et le Saarlandmuseum, Sarrebruck
Vom 29. Juni 2016 bis 16. Januar 2017 ist die Moderne Galerie aus Saarbrücken mit einem Ensemble herausragender Meisterwerke zu Gast im Centre Pompidou-Metz.
Als grenzübergreifendes kollaboratives Projekt von bemerkenswertem Umfang erzählt die Ausstellung Zwischen zwei Horizonten über hundert Jahre deutsch-französische Geschichte – mit ihren wechselseitigen Einflüssen, künstlerischen Gemeinsamkeiten und kreativen Divergenzen – mittels einer Kunstsammlung.
Pontus Hultén, der erste Präsident des Centre Pompidou, sah in seiner Institution das „Ergebnis eines bis dahin beispiellosen Bestrebens, Grenzen niederzureißen“ – zwischen künstlerischen Disziplinen, aber auch zwischen Staaten. Gerade in Zeiten, da sich die Diskussion um die europäischen Grenzen verschärft und Lothringen im Rahmen einer Gebietsreform in Frankreich umgestaltet wird, um Teil einer als „Grand Est“ – Großer Osten – bezeichneten Region zu werden, freut sich das Centre Pompidou-Metz, mit diesem ehrgeizigen Ausstellungsprojekt, das nur durch die in Umfang und Intensität herausragende grenzübergreifende Zusammenarbeit zweier Institutionen möglich wurde, einen Beitrag zu diesen aktuellen Debatten liefern zu können.
Die Ausstellung Zwischen zwei Horizonten nimmt den kulturellen Austausch in den Blick, der das Gesicht der Großregion – und damit einer Region, die in der Vergangenheit für reichlich Zwist zwischen Deutschland und Frankreich sorgte – maßgeblich geprägt hat. Sie steht in der Tradition der historischen Ausstellung Paris-Berlin, die 1978 im Centre Pompidou zu sehen war.
Es heißt, man könne den Zustand der diplomatischen Beziehungen zweier Länder daran ablesen, wie viel Kunst aus dem einen sich in den Museumssammlungen des anderen befinde. Dass die deutschen Avantgarden des beginnenden 20. Jahrhunderts in französischen Sammlungen unterrepräsentiert sind oder vielmehr beinahe vollständig fehlen, hat historische Gründe. Nach der französischen Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg wurde 1871 das Deutsche Reich gegründet und Wilhelm I. zum Kaiser proklamiert. Als Ort für die Zeremonie wählte man den Spiegelsaal in Versailles, was eine symbolische Demütigung Frankreichs bedeutete. Tonangebend für die Epoche waren – auf beiden Seiten des Rheins –Nationalismus und Konfrontation, und über Jahrzehnte hinweg galt dies auch für den Bereich der Kunst. Viele Politiker, Intellektuelle und sogar Künstler machten kulturelle Differenzen zwischen den beiden Staaten im ausgehenden 19. und beinahe bis zur Hälfte des 20. Jahrhunderts an den bestehenden ideologischen Gegensätzen fest.
Die Ausstellung Zwischen zwei Horizonten bietet eine bis in die Gegenwart reichende chronologische Übersicht über ein faszinierendes und komplexes Stück gemeinsamer Geschichte. Denn auch wenn das politische und kulturelle Klima dem Ideenaustausch zwischen französischen und deutschen Intellektuellen nicht immer zuträglich war, gab es Freigeister – darunter Künstler wie Max Liebermann, August Macke, Wassily Kandinsky, Max Ernst oder Willi Baumeister, Kunsthistoriker wie Hugo von Tschudi, Julius Meier-Graefe und Carl Einstein, Sammler wie das Ehepaar Bernstein oder den visionären Karl Ernst Osthaus und nicht zuletzt Verleger und Galeristen wie die Vettern Bruno und Paul Cassirer oder den großen Herwarth Walden –, die an ihrer Begeisterung für den französischen Nachbarn festhielten und mit ihrer Kunst zum Ideenaustausch und zur Erneuerung der Kunst in der damals noch jungen Nation beitrugen.
In der Sammlung des so nahe an der deutsch-französischen Grenze gelegenen Saarlandmuseums befinden sich eindrucksvolle Meisterwerke von beiden Seiten des Rheins. Wie kaum eine andere bietet sie die Möglichkeit, (neue) Einblicke in die deutsch-französische Geschichte zu gewinnen und jene großen Kunstströmungen kennenzulernen oder wiederzuentdecken, die – wie zum Beispiel der deutsche Expressionismus – in französischen Museen kaum vertreten sind. Die Bestände des Museums sind Spiegel der wechselvollen Geschichte ihrer Entstehungsregion. So war das Saarland zweimal im Zuge des im 20. Jahrhundert von Deutschland abgetrennt und dem französischen Wirtschaftsraum angeschlossen: in Folge des Ersten und des Zweiten Weltkriegs.
In der Sammlung finden sich impressionistische Bilder von Auguste Renoir und Max Liebermann, der Fauvist André Derain ist ebenso vertreten wie Gemälde und Radierungen der Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner und Emil Nolde. Als eine der bedeutendsten Sammlungen im deutschen Südwesten spiegelt sie den fruchtbaren Austausch zwischen Robert Delaunay und den Mitgliedern des Blauen Reiters wie etwa Franz Marc und August Macke oder auch die den Wirren des Ersten Weltkrieges trotzende Freundschaft zwischen Fernand Léger und Willi Baumeister wider. Ab 1952, dem Jahr, da das Saarland als eigenständiger Staat unter französisches Protektorat gestellt wurde, um 1957 in die noch junge Bundesrepublik eingegliedert zu werden, fanden die französische Bewegung der lyrischen Abstraktion mit Künstlern wie Roger Bissière und Serge Poliakoff und informelle Kunst aus Deutschland Eingang in die Sammlung, später folgten Akteure aus der Gruppe ZERO und dem Nouveau Réalisme. Vertreter der Gegenwartskunst in der Saarbrücker Sammlung sind etwa Künstler wie Damien Deroubaix und Jonathan Meese.
Die Ausstellung umfasst insgesamt 240 Gemälde, Skulpturen, Drucke und Fotografien, und ein umfangreicher Korpus an dokumentarischem Material vor allem aus den Beständen der Bibliothèque Kandinsky illustriert ihren historischen Kontext.
Kuratoren: Gesamtleitung: Roland Mönig, Direktor des Saarlandmuseums; Ausstellungskuratorinnen: Kathrin Elvers-Švamberk, Saarlandmuseum und Alexandra Müller, Centre Pompidou-Metz